Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden Isabella Lovegood Mario steckt all seine Energie in das Medizinstudium. Für eine Freundin hat er keine Zeit und seine quirlige Nachbarin Sonja spielt für ihn ohnehin in einer ganz anderen Liga. Seit sie mit ihrer Freundin Carolin zusammenwohnt, genießt Sonja ein ganz neues Lebensgefühl außerhalb des goldenen Käfigs ihres Elternhauses. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hat sie es überhaupt nicht eilig, nach dem Mann fürs Leben zu suchen. Ihr Herz hat allerdings ganz andere Pläne und wendet sich still und heimlich dem zurückhaltenden Nachbarn zu. Dass Mario sie mit fadenscheinigen Argumenten abblitzen lässt, trifft sie hart. Doch was steckt tatsächlich dahinter? Der Roman ist in sich abgeschlossen und entspricht 267 Taschenbuchseiten. Die Vorgeschichte «(K)ein Bad Boy für Carolin» befindet sich im Sammelband «Keine Cupcakes für Bad Boys»
Von der Autorin sind außerdem erschienen:
– Mallorca-Erotic-Romance (Reihe in 8 Bänden) – Nachhilfe für die Liebe (Reihe in 3 Bänden) – Zimmer frei für die Liebe (Reihe in 9 Bänden) – Rosen-Reihe (9 Bände) – Club Red Vulcano (3 Bände) 1. Kapitel (#ub3aa7384-db9f-5c4c-bec0-911b9fefd7a1) 2. Kapitel (#u3af1a6d8-762a-58ff-986c-72538b11921f) 3. Kapitel (#ua1f0f500-2f15-5c5d-bbf7-0c7dbf08ceba) 4. Kapitel (#u69fe7121-84dc-5f9b-b00c-7e46d5fb82c7) 5. Kapitel (#ub1f00b56-1537-585b-b80e-e954ad9f60a8) 6. Kapitel (#u1bcd6119-7f69-5d88-8064-dd85c92862a3) 7. Kapitel (#uefb1fdd2-32c7-577c-9639-9d7ecfe22d1b) 8. Kapitel (#u9e0a839f-8051-5645-b179-a9076b7d08ec) 9. Kapitel (#u81faf020-e052-5a0d-9c4e-e0c6c0004965) 10. Kapitel (#u8a2561ed-6c2f-5a9d-9353-2939a8990838) 11. Kapitel (#u57d8d692-260a-53f1-9771-78cddea92a18) 12. Kapitel (#u36b11268-4ba0-5601-84b9-e1315a0b4d97) 13. Kapitel (#u4f5504f2-e77a-5bce-b1e9-21a9d51211f3) 14. Kapitel (#uabcdc5d0-59b1-5016-a6e8-8bfd4d254d8e) 15. Kapitel (#u1bfb529f-7e9e-5afb-98b8-dd22c761dbcd) 16. Kapitel (#u65d07253-de44-51c6-9e9a-e82c19cdd2fd) 17. Kapitel (#u3c6fad6c-bb71-557c-99fd-798846361fa8) 18. Kapitel (#u83d7f1b3-82e5-58a5-9301-8105d68e9a23) 19. Kapitel (#ue4e33463-1345-5ea5-9977-ed7c725f2c6e) 20. Kapitel (#ud76d21c7-85a7-546a-a945-b0ed42997ba8) Nachwort (#uf4734457-ca07-513f-8c4d-c9ea10fccfbb) Leseprobe aus Patchwork mit Herz (#ud1092018-0dee-54c8-bda3-41a15e57d3f3) Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden Von Isabella Lovegood Über die Autorin: Isabella Lovegood ist das Pseudonym einer österreichischen Autorin, die seit Juli 2016 mit ihrem Mann auf Mallorca lebt. Ihr Spezialgebiet sind sinnlich-erotische Romane. Sie handeln von Liebe, Lust und Zärtlichkeit, und sehr oft von Menschen mit Lebenserfahrung, die sich trotz allem die Hoffnung bewahrt haben oder wieder für sich entdecken. Ihre Wohlfühlromane sind geprägt von prickelnder Erotik und der tiefen Sehnsucht nach harmonischen, liebevollen Beziehungen. Copyright © 2021 Isabella Lovegood Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Jede Weitergabe, Kopie oder sonstige Vervielfältigung verletzt das Urheberrecht und fügt der Autorin finanziellen Schaden zu. (http://www.Isabella-Lovegood.at)www.Isabella-Lovegood.at (https://www.Isabella-Lovegood.at)feedback@isabella-lovegood. (mailto:info@isabella-lovegood.at)at (mailto:info@isabella-lovegood.at) Korrektorat: Lisa Diletta Covergestaltung: Ingrid Fuchs Cover-Fotos: ©adrenalinapura - stock.adobe.com Weitere grafische Elemente Canva.com Dieser Roman enthält liebevoll-erotische Szenen. Die Personen und Handlungen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig und ungewollt. 1. Kapitel Mario betrachtete prüfend das Regal über den beiden Wickeltischen. Er hatte den Auftrag bekommen, alles aufzufüllen, was die Säuglingsschwestern brauchten, um die Neugeborenen zu versorgen. Windeln, Wundpuder und Nabelbinden, sterile Tupfer ... Alles lag in ausreichender Menge an seinem Platz. Schwester Sigrid steckte den Kopf zur Tür herein. »Fertig? Die Visite kommt gleich!« Mario nickte, doch bevor er den Raum verließ, ging er noch, wie immer, an den Bettchen entlang. Die winzigen Menschlein faszinierten ihn. Nirgends fühlte er sich dem ›Wunderwerk Mensch‹ näher als hier und das bestätigte ihm, dass er die richtige Berufswahl getroffen hatte, auch wenn der Weg dahin noch weit war. Schneller als erwartet näherten sich Stimmen, dann betrat auch schon die Visite den Raum, allen voran Herr Universitätsprofessor Dr. med. Georg Willnauer, der ärztliche Leiter der Kinderwunsch- und Gebärklinik, in der Mario während des Sommers ein freiwilliges sechswöchiges Praktikum absolvierte. Der grauhaarige Arzt streifte ihn mit einem flüchtigen Blick, bevor er sich an Stationsschwester Verena wandte, um die aktuellen Fälle zu besprechen. Mario hielt sich dezent im Hintergrund und bemühte sich, nicht aufzufallen, während er die Ohren spitzte, um kein Wort zu verpassen, das über die kleinen Patienten gewechselt wurde. Er bewunderte, wie ruhig der erfahrene Arzt sich mit dem Kinderarzt austauschte und sein Wissen mit den Schwestern und Assistenzärzten teilte. Warm breitete sich die Genugtuung darüber aus, wie gut er den medizinischen Fachgesprächen folgen konnte. Die Visite kam an ihr Ende. »Noch Fragen?« Doktor Willnauer wandte sich an den gesamten Trupp, der ihn begleitete. Niemand meldete sich und der Arzt nickte befriedigt. »Wenn Sie bitte vorausgehen? Ich komme gleich nach.« Alle drängten zur Tür hinaus. Mario hatte nicht erwartet, dass er ihn überhaupt richtig zur Kenntnis genommen hatte. Deshalb überraschte es ihn, als der Professor ihn nun ansprach. »Herr Fischer, nicht wahr?« Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg, während er nickte und nähertrat. Würde er nun auch noch vom obersten Chef persönlich einen Rüffel für sein eigenmächtiges Handeln vor ein paar Tagen erhalten? »Es freut mich, zu sehen, dass es dem kleinen Manuel gut geht.« »Mich auch«, entschlüpfte Mario und sein Blick schwenkte automatisch zu dem Säugling im mittleren der fünf Bettchen. »Ich habe ganz instinktiv reagiert, auch wenn das gegen ...«, setzte er an, um sich zu verteidigen, doch der Professor stoppte seinen Redefluss. »Sie haben sich vorbildlich verhalten und ich bedaure, dass Sie deshalb gerügt wurden.« Mario blieb beinahe die Luft weg. »Ihr beherztes und verantwortungsvolles Eingreifen hat möglicherweise ein Menschenleben gerettet oder zumindest, soweit wir das zum jetzigen Zeitpunkt feststellen können, Spätfolgen verhindert. Es war absolut richtig, sofort mit der Reanimation zu beginnen, nachdem Sie auf den Rufknopf gedrückt hatten. Es wäre wertvolle Zeit vergangen, bis jemand vom Pflegepersonal oder ein Arzt kam.« Er nickte ihm wohlwollend zu. »Ich habe mir Ihre Personalakte angesehen. Sie haben sich drei Mal um eine Praktikumsstelle bei uns beworben, bis Sie angenommen wurden. Das nenne ich hartnäckig. Und warum als Pflegekraft, obwohl Sie Medizin studieren?« Mario musste sich zusammennehmen, um nicht nervös an seiner Kleidung zu zupfen. Ein persönliches Gespräch mit seinem großen Vorbild war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. »Ich will den Klinikbetrieb auch von dieser Seite kennenlernen, weil ich der Meinung bin, dass es wichtig ist, die Abläufe und Problematiken zu kennen.« »Guter Ansatz. Sie haben also vor, später in einer Klinik zu arbeiten?« »Ja, das strebe ich an. Am liebsten in einer Spezialklinik wie dieser hier. Deshalb war ich auch so hartnäckig«, wiederholte er den Begriff, den der Arzt vorhin verwendet hatte. »Wie weit sind Sie schon mit dem Studium?« »Ich hoffe, in zwei Jahren fertig zu sein.« »Bewerben Sie sich zeitgerecht bei mir. Gute, engagierte Assistenzärzte kann ich immer gebrauchen.« Der Professor nickte ihm zu und wandte sich zum Gehen, doch an der Tür drehte er sich noch einmal um. »Hätten Sie Lust, an der täglichen Visite teilzunehmen?« Mario strahlte. »Selbstverständlich! Das wäre unheimlich interessant!« Doktor Willnauer lächelte über seinen Eifer. »Ich regle das mit Schwester Verena.« Als sich die Tür hinter ihm schloss, blieb Mario einen Moment regungslos stehen, dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Der Professor war tatsächlich so wie sein Ruf: nicht nur eine fachliche Kapazität, sondern auch menschlich. Als er am Abend mit seinen Freunden darüber sprach, strahlte Sonja vor Stolz über das ganze Gesicht. »Das ist toll! Ja, so ist mein Papa!« Sie beugte sich vor und drückte spontan Marios Arm. »So ein Zufall, dass du dich ausgerechnet in der Klinik meines Vaters beworben hattest.« Ihre Hand auf seiner Haut löste ein Kribbeln aus, das auch nicht aufhörte, als sie sie längst wieder zurückgezogen hatte. »Vor allem, weil das ja schon lange war, bevor wir dich überhaupt kennengelernt hatten«, ergänzte Carolin, ihre beste Freundin und Mitbewohnerin. Sie war vor drei Monaten in die Wohnung neben Mario und Oliver eingezogen, Sonja kurze Zeit später. »Ich bewundere ihn sehr«, gab Mario zu. »Seine Fachartikel und Publikationen habe ich alle verschlungen.« »Ja, er ist sehr angesehen. Deshalb gibt es lange Wartelisten für die Patientinnen. Er überlegt schon eine Weile, die Klinik um einen Anbau zu erweitern, aber ...« Sie schlug die Hand vor den Mund. »Ups, das hätte ich gar nicht ausplaudern dürfen. Vergesst das ganz schnell wieder, okay?« Hektisch strich sie über das Fell der dreifarbigen Katze, die zusammengerollt auf ihrem Schoss schlief. Kitty streckte sich und drehte sich auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen. Ihr Bruder Tiger sprang vom Sofa und setzte sich vor Sonja hin. »Du kannst doch nicht schon wieder hungrig sein?« »Das ist bei ihm ein Dauerzustand«, lachte Oliver. »Aber er sieht auch schon deutlich rundlicher aus als vor zwei Wochen, als wir ihn aus dem Tierheim holten«, lobte Carolin den kleinen Kater. »Komm, du Süßer, ich geb dir etwas in deinen Napf, damit du bald groß und stark wirst!« Als sie sich wieder zu ihren Freunden gesetzt hatte, fragte Mario: »Wie geht es dir? Bist du noch immer so erledigt?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, langsam gewöhne ich mich daran. Ich nutze die Mittagspause jetzt bewusst zum Entspannen, und bin dann auch noch bei den letzten Patienten des Tages fit.« Bis vor Kurzem hatte sie nur halbtags als Assistentin eines Tierarztes gearbeitet. Obwohl sie ihren Job liebte, war ihr die Umstellung anfangs schwergefallen, nach einer zweistündigen Pause auch noch am Nachmittag in der Praxis zu stehen. »Für mich ist es ungewohnt, nach der Arbeit in eine leere Wohnung zu kommen«, merkte Sonja an. »Vor allem, weil niemand da ist, der dich bekocht, nehme ich an«, neckte Carolin. Ihre Freundin widersprach nicht. »Ja, das auch. Jetzt wird mir erst bewusst, wie sehr ich verwöhnt wurde. Aber ich bin ja bereits dabei, das zu ändern.« Sie griff hinter sich auf das Board. »Seht mal. Meine neue Bibel.« »Lecker und schnell. Kochen für Anfänger«, las Oliver den Titel laut vor. »Das klingt gut. Schon etwas ausprobiert?« »Ja, einiges. Die Pasta mit Thunfisch und Gemüse war echt lecker, oder?«, wandte sie sich Beifall heischend an Carolin. »Sag jetzt ja nichts Falsches«, warnte Mario sie zwinkernd. »Es war wirklich gut, da brauche ich gar nichts zu beschönigen. Und außerdem sehr angenehm, mich nach einem langen Tag nur noch an den Tisch zu setzen.« Sie lächelte ihrer Freundin zu. »Du bist eine tolle Mitbewohnerin!« »Du könntest es dir doch mal ausleihen«, schlug Mario seinem Freund vor, der interessiert in dem Kochbuch blätterte. »Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du mal den Küchendienst übernehmen würdest.« »Oh, echt?«, fragte Oliver überrascht zurück. »Du hast noch nie was gesagt. Oder doch, und ich habe es ignoriert?« »Du bist bisher allem, was nur irgendwie mit dem Kochen zu tun hat, so vehement ausgewichen, dass ich es mir verkniffen habe. Ich koche ja gerne, aber gerade jetzt, wenn ich in der Klinik den ganzen Tag auf den Beinen bin, wäre es schon fein, wenn du das mal übernehmen würdest.« Die beiden Frauen verfolgten das Gespräch amüsiert. »Ihr klingt wie ein altes Ehepaar.« Sonja grinste. »Immerhin leben wir schon seit fünf Jahren gemeinsam hier und es passt gut. Wir haben Arbeitsteilung. Ich putze, er kocht«, meinte Oliver zufrieden. »Wir sind ja ohnehin fast jeden Abend zu Hause.« »Das kenne ich von meinem Bruder ganz anders«, stellte Sonja fest, der schon aufgefallen war, dass Mario das Studium sehr viel ernster nahm. Fast immer hatte er ein Fachbuch in Reichweite. »Ich will so schnell wie möglich fertig werden. Es dauert mir ohnehin schon fast zu lange.« »Obwohl du wahnsinnig fleißig bist und fast jede Prüfung beim ersten Mal schaffst«, stellte Oliver anerkennend fest. »Das muss dir erst einmal jemand nachmachen!« Spontan legte Sonja ihre Hand auf seine Schulter und drückte sie leicht. »Ich finde es toll, dass du so ehrgeizig bist! Ich konnte mich gleich gar nicht aufraffen, zur Uni zu gehen, und Tom hängt schon ewig in seinem Maschinenbau-Studium herum und es ist kein Ende in Sicht. Papa wird langsam ungeduldig.« Mario konnte ihren Worten beinahe nicht folgen, so sehr lenkten ihn die Gefühle ab, die ihre Hand bei ihm hervorrief. Seine Konzentration wanderte zu den wenigen Quadratzentimetern, wo ihre Wärme durch sein Shirt drang, und beinahe hätte er vor Wohlgefühl die Augen geschlossen. Dann fing er sich wieder und beugte sich nach vorne, um nach seinem Glas zu greifen. Dabei verloren sie den Kontakt und gleichzeitig fand er auch seinen Verstand wieder. Er richtete die Aufmerksamkeit darauf, wie der fruchtige Rotwein durch seine Kehle rann. ›Nur nichts anmerken lassen‹, hämmerte es in seinem Kopf, während sich auch eine gewisse untere Körperregion langsam wieder entspannte, die sich spontan mit Blut gefüllt hatte. Obwohl es ihm beinahe Angst machte, wie heftig er auf ihre Nähe reagierte, konnte er sich nicht dazu überwinden, mehr Distanz zwischen sich und Sonja zu bringen. Wenigstens diese von ihrer Seite ganz unbefangenen Kontakte durfte er heimlich genießen, auch wenn es ein bittersüßes Gefühl war, das schon an Masochismus grenzte. Was half es, von einer Frau zu träumen, die unerreichbar war? Mario zwang sich dazu, wieder dem Gespräch der anderen zu folgen, das sich mittlerweile um Carolins Auto drehte. Der alte Kombi machte beim Bremsen seltsame Geräusche und Oliver bestand darauf, damit in die Werkstatt seines Vaters zu fahren. »Es wäre leichtsinnig, damit zu warten. Bis du wieder Geld auf dem Konto hast, ist vielleicht noch mehr kaputt oder du hast sogar einen Unfall. Ich strecke dir das Geld für Ersatzteile vor, wenn du welche brauchst. Papa soll sich den Wagen ansehen, damit ich wieder ruhig schlafen kann.« Obwohl es ihr unangenehm war, von Oliver Geld anzunehmen, sah Carolin doch ein, dass er recht hatte. »Okay, danke. Soll ich mitkommen, oder willst du lieber allein fahren?« »Du kannst gerne dabei sein. Papa freut sich, dich zu sehen, und ich werde mit ihm vereinbaren, dass wir erst nach den Öffnungszeiten kommen.« »Das ist eine gute Idee. Dann begleite ich dich gerne!« Sie lächelte erleichtert. Keiner von beiden hatte Lust, Olivers älterem Halbbruder zu begegnen, der ebenfalls in der Werkstatt arbeitete. Kevin kannte keine Skrupel und hatte ihm einmal die Freundin ausgespannt. Auch Carolin hatte er bereits angebaggert. Auf eine Wiederholung konnten sie gerne verzichten. »Was macht ihr am Wochenende?«, wechselte Sonja das Thema. »Ich wette, etwas Interessanteres als ich.« »Wir werden einfach nur ausspannen. Und du?«, erkundigte sich Carolin. »Ich muss heim zu meinen Eltern. Mama hat für Samstagabend mal wieder eine ihrer berühmt-berüchtigten Cocktailpartys angesetzt. Eine stinklangweilige Angelegenheit, bei der Tom und ich Anwesenheitspflicht haben. Ich wette, sie hat wieder potenzielle Heiratskandidaten für uns eingeladen.« Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, während es Mario einen Stich gab. »Ich bin am Sonntag bei meinen Eltern zum Mittagessen eingeladen«, berichtete er. Oliver nickte. »Ja, genau, da leihst du dir ja mein Auto.« Die Freunde nickten sich zu. »Dann werden wir wohl den Sonntag zu Hause verbringen.« Er küsste Carolin zärtlich auf den Hals und es war allen klar, was er mit ihr vorhatte. 2. Kapitel Sonja strich sich die offenen Haare hinter die Ohren und straffte den Rücken, nachdem sie aus ihrem kleinen roten Smart gestiegen war. Ihr graute vor dem Nachmittag und dem darauffolgenden Abend. Während ihre Mutter bei solchen Cocktailpartys in ihrem Element war und sie in vollen Zügen genoss, fehlte ihr dieses Gen offenbar. Leider hatte sie auch nicht die Geduld, die ihr Vater und ihr Bruder bei solchen Gelegenheiten an den Tag legten. Es war ihr schlichtweg zuwider, mit Leuten, die sie nicht kannte und mit denen sie nichts verband, Small Talk zu betreiben. Es gab vieles, was sie lieber getan hätte: Mit Carolin und ihren Nachbarn ins Kino zu gehen, wäre ganz oben auf der Liste gestanden, aber auch andere Tätigkeiten hätte sie diesem gesellschaftlichen Ereignis vorgezogen. Schmunzelnd fragte sie sich, was ihre Mutter dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass sie lieber im Tierheim die Katzenklos putzen würde, in dem sie ehrenamtlich arbeitete, als hier die Rolle der wohlerzogenen Tochter aus gutem Hause einzunehmen. Sie hätte selbst niemals für möglich gehalten, wie viel Befriedigung es ihr verschaffte, die Tiere zu versorgen, ihnen ein paar Streicheleinheiten zukommen zu lassen und dem hoffnungslos überlasteten Personal zur Hand zu gehen. Die Hunde mochte sie, aber die vielen heimatlosen, oft verängstigten, verwahrlosten oder einfach nach Liebe hungernden Katzen hatten es ihr besonders angetan. Am liebsten hätte sie alle mit nach Hause genommen, aber Tiger und Kitty betrachteten die kleine Wohnung, in der sie seit Kurzem mit Carolin lebte, als ihr Revier und hätten mit weiteren Mitbewohnern vermutlich wenig Freude. Während sie die Stufen zur Eingangstür hochstieg, überlegte sie, wie viele hilfsbedürftige Vierbeiner in der riesigen Villa und dem parkähnlichen Garten ihrer Eltern Platz hätten. An Geld für Futter und tierärztliche Versorgung würde es ebenfalls nicht mangeln, aber Sonja war sicher, dass sie ihrer Mutter damit nicht zu kommen brauchte. Sie durchquerte die Eingangshalle. Der Boden war frisch poliert und glänzte noch mehr als sonst. Unwillkürlich lächelte sie. »Hallo! Du bist ja überraschend gut gelaunt«, sprach ihr Bruder sie an, der soeben aus dem Salon kam, wie ihre Mutter das riesige Wohnzimmer manchmal halb im Scherz nannte. Sonja zog als Antwort eine Grimasse. »Hey! Nicht wirklich. Mir ist nur gerade eingefallen, wie cool das war, als wir auf Strümpfen durch den Raum geschlittert sind, wenn Mama nicht daheim war.« Nun grinste auch er. »Ja, das war lustig. Erinnerst du dich daran, dass du einmal gegen eine Stehlampe gestoßen bist und sie umfiel? Der Keramikfuß ist in unzählige Teile zerbrochen.« Sie verdrehte die Augen. »Oh Gott, war das ein Theater!« »Papa war so glücklich, als das scheußliche Ding kaputt ging.« »Ist nicht wahr!« »Doch, Ehrenwort!« Er legte die Finger der rechten Hand auf sein Herz. »Dann habe ich also ein gutes Werk getan«, stellte sie lachend fest und schüttelte den Kopf. »Manchmal wünschte ich, noch das unbeschwerte Kind von früher zu sein. Bis zu einem gewissen Grad hatten wir doch Narrenfreiheit. Das ist jetzt vorbei.« Eine aufgeregte weibliche Stimme näherte sich und Sonja bemühte sich, das Gesicht nicht so unwillig zu verziehen, wie ihr zumute war. Die zehn nächsten Stunden war Maske angesagt. »Wie schön, dass du pünktlich bist«, begrüßte ihre Mutter sie wohlwollend. »Bist du hungrig? Gaby hat bestimmt einen Happen für dich.« »Nein, danke. Wenn du mich nicht für die Vorbereitungen brauchst, werde ich zuallererst meinen Kleiderschrank inspizieren, damit ich das perfekte Outfit für heute Abend finde.« »Mach das, Liebes. Ich habe hier alles unter Kontrolle.« Sie machte eine elegante, alles umfassende Handbewegung. Früher, als Kind, hatte Sonja vor dem Spiegel diese grazilen Bewegungen ihrer Mutter nachzuahmen versucht, doch sie hatte immer das Gefühl gehabt, ein kleiner Tollpatsch zu sein. Besonders, wenn durch ihr ungestümes Verhalten mal wieder etwas zu Bruch ging. Während sie in den ersten Stock hinaufging, fiel ihr die Stehlampe wieder ein. Ihr Papa war viel bodenständiger und sie war sicher, dass er sich ganz anders einrichten würde, als ihre Mutter das tat. Doch auch wenn er in der Klinik der hochgeachtete und allgemein respektierte ärztliche Leiter war, zu Hause hatte sie das Sagen. Doch erst in letzter Zeit, seit sie an Oliver dasselbe Verhalten Carolin gegenüber beobachtete, war ihr klar geworden, dass sich ihr Vater nicht aus Schwäche, sondern aus Liebe zu seiner Frau so verhielt. Ihre beste Freundin vor Glück leuchten zu sehen, verstärkte ihre Sehnsucht, selbst so ein liebevolles Gegenstück zu finden. Sie war sicher, dass es nichts brachte, danach zu suchen, sondern dass es sie wie ein Blitz treffen würde, wenn ihr Mr. Right endlich vor ihr stand. Bisher war das allerdings noch nie passiert. In ihrem Zimmer ließ sich Sonja mit dem Rücken auf ihr Bett fallen und blieb dort ein paar Minuten liegen, während sie an die Decke starrte. Seit sie nicht mehr hier wohnte, fiel es ihr noch schwerer, in ihre Rolle zu schlüpfen. Es fühlte sich an, als müsste sie sich in eine zu eng gewordene Hülle zwängen. Seufzend trat sie in ihren begehbaren Kleiderschrank. Ein Bewegungsmelder schaltete das Licht ein, das den kleinen Raum gut ausleuchtete. ›Was habe ich denn bei der letzten Hausparty getragen? Ich darf auf keinen Fall zweimal hintereinander das Gleiche anziehen! War es das dunkelblaue oder das moosgrüne Kleid?‹, überlegte sie. Ein anderes aus dunkelrotem Satin sprang ihr förmlich in die Hand. Ihr fiel ein, dass ihre Mutter dieses Kleid an ihr liebte, und obwohl sie selbst die Farbe nicht ganz so sehr mochte, beschloss Sonja, dass es die richtige Wahl sein würde. Fast eine Stunde war sie damit beschäftigt, ihre glatten, seidigen Haare hochzustecken, die sich immer wieder selbstständig machten. Sie schminkte sich dezent, aber sehr sorgfältig, wie ihre Mutter das von ihr erwartete. Auch wenn sie sich in der Pubertät heftige Kämpfe mit ihr geliefert hatte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen, sie bei einem solchen Fest zu blamieren. Drei Stunden später war die Abendveranstaltung in vollem Gange. Fünfundzwanzig bis dreißig elegant gekleidete Menschen verschiedenen Alters standen in Grüppchen zusammen, einige wenige hatten sich auf der Wohnlandschaft niedergelassen. An einer Seite des Raumes war ein Buffet mit feinen Häppchen aufgebaut. »Das Catering hat sich diesmal selbst übertroffen«, stellte Tom zufrieden fest und schob sich den Rest eines Brötchens mit Fischmousse in den Mund, das mit einem Blättchen Petersilie und rotem Kaviar garniert war. Sonja nickte. Sie kaute gerade genüsslich an einer raffiniert gewürzten Garnele. »Ganz hervorragend«, bestätigte Matthias, der neben ihr stand. »Wie immer, wenn eure Eltern ein Fest geben. Und die Villa ist einfach ein Traum. So elegant!« Er lächelte Sonja an. »So wie du! Absolut perfekt!« Sie verdrehte innerlich die Augen. Sie kannten sich von Kindheit an, weil ihre Väter gemeinsam die Klinik gegründet hatten. Ihr Vater war der ärztliche Leiter, Herr Magister Fankhauser kümmerte sich um die wirtschaftlichen Belange. Irgendwann hatte ihre Mutter angedeutet, dass sie eine Verbindung der beiden Familien befürworten würde. Das war allerdings schon mehr als zehn Jahre her, also zu einer Zeit, als Sonja noch ein Teenager gewesen war und Matthias gerade angefangen hatte zu studieren. Mittlerweile hatte er den dritten Wechsel der Studienrichtung und seinen dreißigsten Geburtstag hinter sich. Von ihrem Bruder wusste sie, dass er sich lieber in den Studentenkneipen der Grazer Innenstadt und bei seiner Burschenschaft herumtrieb, als in den Hörsälen der Uni. »Wie gefällt dir Betriebswirtschaft?«, fragte sie ihn mehr aus Höflichkeit als aus ehrlichem Interesse. Schließlich wurde von ihr erwartet, sich um die Gäste zu kümmern. »Trocken«, stellte Matthias fest und verzog missmutig die schön geschwungenen Lippen. »Aber immer noch besser als Jura und die ganzen anderen Sachen, die ich ausprobiert habe.« »Viel Auswahl hast du ja nicht mehr«, ätzte Tom. »Vor allem, wenn dir dein alter Herr wie angedroht den Geldhahn zudreht.« Matthias warf ihm einen strafenden Blick zu. »Du brauchst das aber nicht an die große Glocke zu hängen.« Sonja verbiss sich ein Grinsen. Ein wenig peinlich schien es ihm ja doch zu sein. »Ich ziehe das jetzt durch und dann steige ich auch in die Klinik ein. Dann werden wir Kollegen und können uns jeden Tag sehen«, wandte er sich mit einem aalglatten Lächeln an sie. Ihre Freude darüber hielt sich in Grenzen, doch das zeigte sie ihm nicht. »Ja, mach mal. Das dauert ja noch ein paar Jahre«, erwiderte sie stattdessen. »Ich sehe nach, was es noch zu futtern gibt.« Das Catering war tatsächlich hervorragend. Es hatte sich eindeutig gelohnt, das Unternehmen zu wechseln. Am Buffet begegnete sie ihrem Vater, der gerade überlegte, was er nehmen sollte. »Hallo, Liebes, amüsierst du dich gut?«, fragte er sie mit einem verständnisvollen Zwinkern. Er mochte diese Art von Veranstaltung ebenso wenig wie sie, nahm es jedoch als Begleiterscheinung seines Jobs gelassen hin. Er hatte ihr einmal verraten, dass er viel lieber ein Picknick an einem See machen würde oder Würstchen am Lagerfeuer grillen, als diese steifen Partys zu veranstalten. Manchmal fragte sie sich, wie sich ihre Eltern überhaupt ineinander verlieben konnten, so verschieden erschienen sie ihr. »Geht so«, antwortete sie lächelnd. »Matthias versucht mal wieder, mit mir zu flirten. Manche Dinge ändern sich nie.« »Das ist kein Wunder. Du bist eben eine wunderhübsche, kluge junge Frau.« Solche Worte ließ sie nur ihrem Vater ohne Augenrollen durchgehen. Eigentlich taten sie auch gut, aber das würde sie niemals zugeben. »Ich möchte dir gerne Samuel Hirschnigg und seine Familie vorstellen.« Der Name war ihr bereits geläufig. Ihr Vater und Doktor Hirschnigg waren schon eine ganze Weile in Kontakt und mittlerweile wohl so etwas wie befreundet. Der Kärntner Kollege hatte ihn um Rat gefragt, weil er in dem benachbarten Bundesland eine ähnliche Klinik aufbauen wollte wie ihr Vater hier. Es war typisch für ihn, dass er in Doktor Hirschnigg keinen Konkurrenten sah, den es zu bekämpfen galt, sondern ihn bereitwillig mit seinem Know-how unterstützte. Sie schlenderten zu dem Trüppchen hinüber, das sich gerade mit ihrer Mutter unterhielt. Sonja stellte ihren Teller mit den Häppchen auf dem kleinen Stehtisch ab und wandte sich der Familie zu, die aus einem Paar Anfang Fünfzig und einem jungen Mann bestand, der sie sichtlich bewundernd anlächelte. Während der Arzt bereits graue Strähnen in seinem dunkelblonden Haar hatte, und zwar sympathisch, aber etwas farblos wirkte, hatten Frau und Sohn schwarzes Haar, einen etwas dunkleren, südländisch anmutenden Teint und waren unbestreitbar attraktiv. »Hallo, Sonja, wir freuen uns sehr, Sie persönlich kennenzulernen«, ergriff die Frau das Wort und reichte ihr die Hand. Sie war ebenso zierlich und zartgliedrig wie Sonja und ihr Händedruck angenehm energisch. »Ich bin Carina. Mein Mann Samuel und unser Sohn Jonas«, stellte sie mit einem offenen Lächeln vor. Zu dem leichten Kärntner Dialekt mischte sich noch ein zarter Akzent, der ihre Sprechweise sehr charmant wirken ließ. Nacheinander schüttelte sie jedem die Hand. »Ich freue mich auch! Mein Vater hat schon viel von Ihnen erzählt!« Auch auf den zweiten Blick war Jonas ein hübscher Junge, allerdings vermutete Sonja, dass er mindestens fünf Jahre jünger war als sie. Die nächsten Worte Herrn Doktor Hirschniggs bestätigten das. »Jonas ist soeben mit der Schule fertig geworden und wird hier in Graz mit dem Medizinstudium anfangen. Vielleicht könnten Sie und Ihr Bruder ihn ein wenig unter Ihre Fittiche nehmen, damit er hier nicht so allein ist?« Dem jungen Mann war das sichtlich peinlich und er lief leicht rot an, was aber durch seinen gebräunten Teint fast nicht auffiel. »Sonja hat bestimmt etwas Besseres zu tun, als für mich den Babysitter zu spielen«, stieß er an seinen Vater gewandt hervor. »Ich kann dir gerne Graz ein wenig zeigen. Auf der Uni kenne ich mich leider selbst nicht aus, aber ich habe einen Freund, der ebenfalls Medizin studiert. Vielleicht kannst du dich ja an ihn wenden.« Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Danke, aber ich will dir nicht zur Last fallen«, wehrte er ab, obwohl seine Augen etwas anderes sagten. Den schwärmerischen Ausdruck kannte sie nur zu gut und sie würde aufpassen, dass er nicht die falschen Schlüsse aus ihrer Freundlichkeit zog. »Unsere Tochter Laura ist in Ihrem Alter. Sie steht dort drüben!« Carina Hirschnigg deutete zu einer jungen Frau hinüber, die nun bei Matthias und Tom stand. Sie warf ihr langes, schwarzes Haar mit einer graziösen Geste über die Schulter zurück, als sie über etwas lachte. Sonja kannte ihren Bruder und seiner Miene nach zu schließen, buhlten er und Matthias bereits um ihre Gunst. Sie verbiss sich ein Grinsen. »Julian, unser Ältester, ist diesmal in Villach geblieben. Er arbeitet seit Kurzem im Landeskrankenhaus als Gynäkologe. Wenn unsere Klinik läuft, wird er miteinsteigen.« Der väterliche Stolz war nicht zu überhören und ein wenig schlechtes Gewissen erfasste Sonja, dass sie und ihr Bruder den eigenen Vater diesbezüglich enttäuscht hatten. »Noch einen Schluck Champagner?«, bot ihre Mutter nun an und machte sich bei dem Mädchen vom Partyservice mit einer wohldosierten Handbewegung bemerkbar, die gerade mit einer gut gekühlten Flasche vorbeiging. Sie genoss ihre Rolle als Gastgeberin sichtlich und Sonja fragte sich, ob sie diese natürliche Eleganz ihrer Mutter jemals erreichen würde. Andererseits hatte sie auch wenig Ambitionen, einen Haushalt zu führen, in dem das nötig war. Unwillkürlich sehnte sie sich nach der kleinen, schnuckeligen Wohnung, in der sie nun mit ihrer besten Freundin lebte. Da ging es wesentlich ungezwungener und gemütlicher zu und die beiden Jungs aus der Nachbarwohnung waren zwar keine Rüpel, aber auch nicht so überkandidelt wie Matthias. Ein kleines Lächeln hob ihre Mundwinkel, als sie sich daran erinnerte, wie sie am Vormittag gemeinsam mit Carolin und Mario Cupcakes gebacken hatte. Obwohl sie dabei eine Menge Spaß gehabt hatten, konnte sich das Ergebnis sehen lassen. »Trotzdem wäre es nett, wenn Sie ein Auge auf Jonas haben könnten«, riss die Stimme seiner Mutter sie aus ihren abschweifenden Gedanken. »Immerhin ist er zum ersten Mal allein in einer Wohnung und in einer fremden Stadt.« Erneut lief der junge Mann rot an und tat Sonja ehrlich leid. »Du wirst es lieben!«, prophezeite sie ihm zwinkernd und erntete ein schüchternes Grinsen. »Ja, das denke ich auch«, gab er zurück. Nun gesellten sich auch Tom und Laura zu ihnen und sie begrüßten einander. Ein reges Gespräch kam in Gang, in dessen Verlauf Sonja auch erfuhr, woher der leichte südländische Einschlag der Familie kam. Carina stammte aus Bologna, war aber schon als Kind mit ihren Eltern von Italien nach Kärnten gekommen. »Leider ist unsere Großmutter keine typisch italienische Nonna, wie man sie aus den Filmen kennt«, stellte Jonas bedauernd fest. »Sie ist eine Business-Frau durch und durch und mit Kochen hat sie wenig im Sinn.« »Das stimmt. Sie führt eine sehr angesagte Boutique mit italienischer Mode in Villach«, erzählte Carina. Mit einer liebevollen Geste strich sie über ihren dunkelblauen, weichfließenden Hosenanzug, der in unaufdringlicher Art ihre weiblichen Formen unterstrich. »Der stammt aus ihrer Kollektion.« »Sehr schick! Vielleicht sollten wir mal einen Abstecher nach Villach machen, was meinst du, Sonja?«, schlug ihre Mutter vor. »Falls ihr kommt, sagt mir Bescheid!« Carina lächelte strahlend. Sie schien sich sehr wohlzufühlen und Sonja stellte insgeheim fest, dass ihr die Familie sympathisch war. Das war eine wohltuende Ausnahme auf den Partys ihrer Eltern. Selten traf sie dabei jemanden, mit dem sie sich auf einer Wellenlänge befand. Nur Laura machte auf sie einen etwas affektierten Eindruck, aber sie kam auch kaum dazu, sich mit ihr zu unterhalten. Tom und Matthias, der sich ihnen ebenfalls angeschlossen hatte, nahmen sie voll in Beschlag. Durch die neue Bekanntschaft mit Familie Hirschnigg wurde der Abend unerwartet unterhaltsam und als Sonja spät nachts in ihrem Jugendzimmer ins Bett sank, hatte sie das Gefühl, diesmal ihre Lebenszeit nicht verschwendet zu haben. 3. Kapitel Mario lenkte Olivers dunkelblauen Toyota schwungvoll in die Einfahrt seines Elternhauses, als er erkannte, dass das Tor einladend offen stand. Er parkte hinter dem alten Transporter seines Vaters. Dabei fiel ihm auf, dass der Rostfleck an der Heckklappe schon wieder größer geworden war. Es schien noch vor Kurzem geregnet zu haben, denn von dem großen Kirschbaum, in dem früher seine Schaukel befestigt gewesen war, prasselten Tropfen auf das Autodach, als ein Windstoß die Blätter bewegte. Sobald er die Wagentür öffnete, stieg ihm ein köstlicher Duft in die Nase, der aus dem Küchenfenster drang. Es roch nach Wiener Schnitzel und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Mario schloss das Tor und schob sorgfältig den Riegel vor, der ein wenig klemmte. Er holte die Kuchenplatte aus dem Kofferraum und balancierte sie auf der linken Handfläche, während er mit dem Daumen der rechten Hand die Funkfernbedienung drückte, um das Auto zu versperren. Er tat das aus reiner Gewohnheit, denn hier im Hof wäre es nicht nötig gewesen. Die Haustür öffnete sich. Ein weißes, kniehohes Fellbündel schoss kläffend aus dem Haus und sprang an ihm hoch. »Ist ja gut, ich freue mich auch, dich zu sehen, Schnuffi!«, begrüßte er den Hund, ohne sich hinunter zu beugen. »Sag nicht immer Schnuffi zu ihr, wo sie doch einen so schönen Namen hat«, rügte ihn seine Mutter lächelnd, die soeben im Türrahmen erschien. »Sie hört auf Schnuffi genauso wenig wie auf Schneewittchen. Hallo, Mama!« Mario beugte sich vor und küsste sie auf beide Wangen. Da er eine Stufe unter ihr stand, befanden sich ihre Köpfe auf derselben Höhe. »Wie geht es dir?« Er musterte sie forschend, während er gleichzeitig den Hundekopf kraulte. Die Krallen bohrten sich in seine Haut, weil sich das Tier an seinem Bein auf die Hinterpfoten gestellt hatte. »Danke, mir geht es gut, alles bestens.« Sie lächelte, aber er glaubte, Müdigkeit hinter ihrer fröhlichen Miene zu erkennen. »Was hast du denn da mitgebracht?« Er übergab ihr die Kuchenplatte und schüttelte das Handgelenk aus, während seine Mutter die Abdeckung hob und einen anerkennenden Laut ausstieß. »Das sind ja kleine Kunstwerke!« Mario lachte. »Ja, da hast du recht, aber um sie nur anzusehen, schmecken sie zu gut. Liebe Grüße von Carolin.« »Danke! Aber jetzt komm rein, das Essen ist fertig und Papa hungrig.« »Ich auch! Es duftet herrlich«, erwiderte Mario und folgte ihr ins Innere des Hauses. Hier hatte sich in den letzten Jahren kaum etwas verändert, obwohl die Wände dringend einen neuen Anstrich vertragen hätten. In der Wohnküche saß sein Vater bereits am Tisch und sah ihm lächelnd entgegen. »Hallo, alles okay?« »Servus, Papa. Ja, bei dir auch?«, antwortete Mario, während er genau den Platz einnahm, auf dem er schon als Kind gesessen war. Schneewittchen tappte unter den Tisch und legte sich auf seine Füße. »Es gibt Nudelsuppe und danach Schnitzel mit Kartoffelsalat.« Katrin tauchte den Schöpfer in den Topf und verteilte die dampfende Suppe auf drei Teller. »Nimm dir Schnittlauch, Michi.« Mario schmunzelte, während er darauf wartete, bis sein Vater ihm das Schüsselchen weitergab. Dann streute er die Hälfte der verbliebenen, fein geschnittenen Röllchen auf seine Suppe und reichte den Rest seiner Mutter. Es waren diese kleinen Rituale, die ihm am stärksten das Gefühl vermittelten, zuhause zu sein. Während sie vorsichtig anfingen, die heiße Suppe zu löffeln, sah ihn seine Mutter auffordernd an. »Erzähl uns, wie es dir in der Klinik geht«, bat sie. »Gefällt es dir dort? Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?« Mario lächelte. »Noch besser.« Dann erzählte er ihnen von dem Säugling, den er mit Atemstillstand in seinem Bettchen vorgefunden hatte. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für ein Gefühl war, als das Baby wieder angefangen hat zu atmen.« »Ich bin so stolz auf dich!« Frau Fischer strahlte. »Du wirst bald ein hervorragender Arzt sein!« »Ich hoffe es, Mama! Aber eigentlich habe ich nichts anderes gemacht, als man in jedem besseren Erste-Hilfe-Kurs lernt.« »Das mag sein, aber du kannst dein Wissen abrufen und handelst, ohne zu zögern. Das ist der Unterschied. Und der Klinikbetrieb gefällt dir auch?« Als Mario nickte, fragte sie weiter. »Wie ist das eigentlich? Sind die Babys nicht bei ihren Müttern? Ich dachte, es gibt jetzt nur noch Mutter-Kind-Zimmer.« »Normalerweise schon. Das erklärte Ziel ist, dass die Kleinen in der Nähe ihrer Mütter sind. Aber wenn das nicht möglich ist, weil die wenigstens ein paar Stunden Ruhe und ungestörten Schlaf brauchen, um sich zu erholen, sind die gesunden Babys im Säuglingszimmer. Außerdem gibt es noch die Abteilung für die Frühgeborenen oder Säuglinge, die nicht gesund sind und intensiver betreut werden müssen.« »Aber dieses Baby war eigentlich gesund, oder?« Mario nickte. »Ja, warum es plötzlich zu atmen aufhörte, konnte man nicht feststellen. Jetzt sind wieder alle Werte normal.« Er sah seine Mutter forschend an. »Alles in Ordnung? Belastet dich das?« »Passt schon. Ich bin wirklich froh, dass es dir so gut gefällt. Lange Zeit habe ich mir Gedanken gemacht, ob du aus den richtigen Gründen Arzt werden willst. Jetzt bekomme ich die Sicherheit, dass es tatsächlich das ist, wo du hingehörst.« »Ja, auf jeden Fall, Mama. Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen!« »Dann ist es gut.« Sie lächelte ihn an. »Nicole hat ein Mädchen bekommen.« Einen Moment war Mario verwirrt, dann wurde ihm klar, dass sie von der Tochter ihrer Nachbarn sprach, mit der er als Kind gemeinsam zur Schule gegangen war. »Im November feiern sie gleichzeitig die Taufe und die Hochzeit.« Sein Vater hatte sich stumm seinem Essen gewidmet und nur hin und wieder ein zustimmendes Geräusch gemacht. Nun brachte auch er eine Neuigkeit ins Gespräch ein. »Der Anger Luis verkauft seine Kühe und macht einen Reitstall auf«, berichtete er von einem seiner ältesten Freunde. »Und das, obwohl er von Pferden keine Ahnung hat. Den Floh hat ihm seine neue Freundin ins Ohr gesetzt. Sie ist eine begeisterte Reiterin und kennt sich aus, aber falls die Beziehung in die Brüche geht, steht er mit den Gäulen da.« »Das Risiko hat man ja leider immer. Vielleicht klappt es ja auf Dauer mit den beiden. So ein Reiterhof ist doch eine gute Idee, finde ich. Mit den Milchkühen ist ja ohnehin kaum noch etwas zu verdienen«, stellte Mario fest. »Oliver und Carolin geht es aber gut miteinander, oder?«, fragte seine Mutter nach. »Ja, die sind schwer verliebt.« Mario grinste unwillkürlich. »So habe ich ihn in den ganzen fünf Jahren noch nicht erlebt.« »Das ist schön. Jeder Topf findet irgendwann seinen Deckel.« An ihrem neugierigen Blick erkannte er deutlich, dass sie nur zu gerne auch etwas über sein Liebesleben erfahren wollte. Leider gab es da nichts zu berichten. Einen winzigen Augenblick war er versucht, von den verwirrenden Gefühlen zu erzählen, die ihn in Sonjas Gegenwart überfielen. Da er jedoch die Befürchtung hatte, dass das bei ihr unerfüllbare Hoffnungen wecken würde, unterließ er es. Seine Mutter war eine Romantikerin, die sich für ihr Leben gerne in Liebesromane vertiefte. Glücklicherweise fing sein Vater mit einem neuen Gesprächsthema an. »Es ist wirklich nett von Oliver, dass er dir sein Auto borgt. Was ist denn mit deinem? Kriegt sein Vater die alte Kiste noch mal hin?« »Leider nicht. Er war ja ohnehin nicht mehr viel wert und der Unfall hat ihm den Rest gegeben.« »So ein Mist! Hätte sich dieser Trottel nicht einen anderen Wagen aussuchen können, den er abschießen kann? Das bisschen Geld, das dir die Versicherung für den Totalschaden ausbezahlt, reicht nie und nimmer für einen anderen Wagen. Ich sag es ja immer, die Versicherungen sind echt für die Katz! Du zahlst und zahlst, aber wenn du was brauchst, kommt nichts Gescheites dabei raus«, wetterte sein Vater. Mario und seine Mutter warfen sich einen halb belustigten, halb genervten Blick zu. Diese Leier kannten sie zur Genüge. »Ihr könntet doch an einem der nächsten Wochenenden wieder zum Grillen kommen, was meinst du?«, schlug sie nun vor. »Das war so schön im vergangenen Jahr! Und nehmt die beiden Mädchen mit. Ich bin gespannt, sie kennenzulernen.« Grundsätzlich fand er die Idee gut. Im letzten Sommer hatten sie mit ein paar Freunden eine kleine Party im Garten seiner Eltern gemacht, doch diese Freundschaften hatten sich aus verschiedenen Gründen gelockert oder aufgelöst. Einer war weggezogen, ein anderer hatte ein Baby bekommen und ging ganz in seiner Vaterrolle auf. Beim Dritten schoss seine neue Freundin quer. Sie sah es nicht gerne, wenn er etwas ohne sie unternahm, wollte aber auch nicht mitkommen. Trotzdem zögerte er. Carolin war kein Problem, doch dann versuchte er, sich Sonja hier in seinem Elternhaus vorzustellen. Das Foto schob sich vor sein inneres Auge, das er am Vormittag auf Facebook entdeckt hatte. Es zeigte die hübsche Blondine mit eleganter Hochsteckfrisur und einem schimmernden, extravaganten, dunkelroten Kleid inmitten von ebenso teuer gekleideten Menschen. Sie war atemberaubend schön und passte so gar nicht in die bestenfalls gutbürgerliche Kulisse seiner Familie. Als er den beinahe sehnsüchtigen Blick seiner Mutter bemerkte, wurde ihm bewusst, dass sie sich freuen würde, ihn und seine Freunde hierzuhaben. Also nickte er zustimmend. »Ja, das wäre nett. Wir sollten den Sommer noch ein wenig genießen, bevor er wieder vorbei ist. Aber wir nehmen alles mit, Fleisch, Gemüse, Salate und das Dessert«, versprach er, ohne mit seinen Freunden erst darüber zu beraten. Er war sicher, dass sich alle eifrig beteiligen würden, wenn dafür ein angenehmer Tag im Grünen winkte. »Wir besprechen das und auf das Wetter müssen wir auch achten, bevor wir einen Termin fix machen. Ist dir das auch recht Papa?«, vergewisserte er sich dann. »Aber sicher. Es ist bei uns schon sehr still jetzt.« Mario hatte den Verdacht, dass das vor allem seine Mutter bedrückte. Sein Papa war bedingt durch seine Arbeit als Dachdecker viel unterwegs. An Abwechslung mangelte es ihm also nicht. Nach dem Essen zog sich sein Vater ins Wohnzimmer zurück und Mario war sicher, dass er während der Übertragung des Formel-1-Rennens sehr bald auf der Couch einschlafen würde. So war es immer gewesen: Entweder arbeitete sein Vater oder er schlief ein, sobald er länger ruhig saß oder gar lag. »Ich bin richtig froh, dass es heute in der Früh geregnet hat«, stellte seine Mutter mit einem sorgenvollen Lächeln fest. »Du meinst, damit er mal Ruhe gibt?« Sie nickte. »Er arbeitet immer noch so wie mit vierzig, und will nicht zugeben, dass es ihm langsam zu viel wird.« »Ihr wisst aber schon, dass ich mir auch einen Teilzeit-Job suchen kann?« Seine Mutter drückte ihm beruhigend den Arm. »Dann würdest du aber mit dem Studium nicht mehr so weiterkommen wie bisher. Nein, du konzentrierst dich aufs Lernen und den Rest überlässt du uns. Wir bekommen das schon hin. Ich verdiene schließlich mit meinen Putz-Jobs auch ein klein wenig dazu.« Das beruhigte Mario nicht wirklich. Sein Vater ging bereits hart auf die Sechzig zu. Die Mutter hatte vor Kurzem ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert, aber sie weigerte sich ebenso beharrlich wie ihr Mann, sich mehr Ruhe zu gönnen. »Hast du noch einmal versucht, wieder eine Stelle als Sekretärin zu bekommen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hat keinen Sinn. Du weißt ja, hier gibt es nichts und wenn ich weiter weg was fände, bräuchte ich wieder ein eigenes Auto.« Zu ihren beiden Stellen, bei denen sie wöchentlich einige Stunden als Haushaltshilfe in der Umgebung des Ortes arbeitete, fuhr sie bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad. »Außerdem bin ich schon zu lange weg vom Büroalltag.« In ihrer Stimme lag ein wenig Resignation, auch wenn sie versuchte, diese mit einem aufmunternden Lächeln zu überdecken. »Hast du Lust mit mir und Schneewittchen spazieren zu gehen? Jetzt müsste es schon etwas abgetrocknet sein.« »Ja, gerne. Ich habe mich schon auf die Luft und das Grün hier gefreut. Graz ist zwar schön, aber das Stadtleben ist trotzdem nichts für mich.« »Da schau her, du bist aber flink«, lobte er Schneewittchen, die mit ihrer Leine im Maul angelaufen kam. Katrin lachte und bückte sich, um den Karabiner der Leine an dem roten Hundehalsband zu befestigen. »Manchmal stellt sie sich ja taub, aber spazieren gehen versteht sie immer.« Draußen sog er die vom Regen saubere und frische Luft tief in seine Lungen. »Herrlich ist das. So richtig zu schätzen weiß ich es allerdings auch erst, seit ich es nicht immer habe.« Er nahm seiner Mutter die Leine ab und gemeinsam schlenderten sie durch den Ort. Es war kaum jemand unterwegs, aber das störte Mario nicht. Er unterhielt sich ohnehin lieber mit seiner Mutter. Er war schon immer ein Mama-Kind gewesen, was vielleicht daran lag, dass er mit seinem Vater wenig gemeinsam hatte. Fußball und Motorsport konnte er nie viel abgewinnen. Er war von klein auf eine Leseratte und die Besuche mit seiner Mama in der Bücherei der Pfarre bildeten die Highlights der Woche. Als sie eine freie Wiese erreichten, löste sie das Halsband von der Leine. »Jetzt kannst du laufen, Schneewittchen. Los!« Wie ein weißer Blitz sauste die kleine Hündin los, zog Kreise und Bögen und ihr zuzusehen, vermittelte Lebensfreude pur. Verstohlen betrachtete Mario das strahlende Gesicht seiner Mutter. Ihr den Hund zu schenken, war eine der besten Ideen gewesen, die er je gehabt hatte. Sie brauchte jemanden, den sie bemuttern konnte, und als er in die Stadt zog, wäre sie innerlich verdorrt, hätte sie nicht ein neues Baby gehabt. Ihr helles, fröhliches Lachen brachte sein eigenes Herz zum Singen. Sie hatten harte Zeiten durchlebt und er freute sich unendlich, sie so glücklich zu sehen. Irgendwo fand Schneewittchen einen Ast und schleppte ihn heran. Da er viel zu lang und schwer war, brach er ihn entzwei und warf ihn ein Stück weit weg. Eifrig brachte der kleine Hund ihn zurück, wollte ihn aber nicht mehr loslassen. Erst nachdem sie eine Weile spielerisch hin und her gezerrt hatten, durfte er ihn wieder werfen. Als sie sich genug ausgetobt hatte, kam sie angetrabt und legte sich zu ihren Füßen hin. Die kleine rosa Zunge hing ihr aus dem Maul. »Sie sieht aus, als ob sie über das ganze Gesicht lachen würde.« Seine Mutter hockte sich neben die Hündin und streichelte zärtlich über das weiche Fell, das am Bauch nass und nicht mehr so schneeweiß war wie am Anfang ihres Spaziergangs. »Da hat sie aber auch allen Grund dazu. Viel schöner kann so ein Hundeleben auch fast nicht sein, stimmt’s, meine Süße?« Dann hakte sie die Leine wieder fest. »Dann werden wir uns mal schön langsam auf den Rückweg machen. Ich freue mich schon auf den Kaffee und diese kleinen Kuchen. Eigentlich sind sie ja wirklich fast zu hübsch zum Essen.« Mario lachte. »Ich werde es Sonja ausrichten.« »Wieso Sonja? Ich dachte, Carolin hat sie gemacht?« »Sie backt für ihr Leben gern, aber Sonja hat ihre Kreativität entdeckt und das Verzieren übernommen.« Er hoffte, dass ihrem geübten mütterlichen Blick die verräterische Röte entging, die ihm bei der bloßen Erwähnung ihres Namens ins Gesicht gestiegen war. Gleichzeitig ärgerte er sich über sich selbst. Warum ging ihm die hübsche Blondine bloß so unter die Haut, wo er doch ganz genau wusste, dass aus ihnen nichts werden konnte? Während seine Mutter Kaffee kochte und den Tisch für die Jause deckte, begab sich Mario ins Wohnzimmer. Der Anblick entlockte ihm ein liebevolles Schmunzeln. Sein Vater schnarchte friedlich. Zu seinen Füßen hatte es sich Schneewittchen auf ihrer Decke gemütlich gemacht und ruhte sich von dem anstrengenden Spaziergang aus. Der Lärm der Sportübertragung störte offenbar keinen der beiden. Einen Augenblick überlegte er, seinen Papa schlafen zu lassen. Andererseits sahen sie sich ohnehin nur noch ein bis zwei Mal im Monat. Behutsam rüttelte er an seiner Schulter, doch er reagierte nicht. Erst als er den Fernseher ausschaltete, wurde sein Vater wach und sah ihn etwas verwirrt an. »Der Kaffee ist fertig.« Er lächelte ihn an. »Ah gut. Ich komme gleich.« Mario entging nicht, dass sich sein Papa nur mit Mühe ein Stöhnen verkniff, als er sich aufrichtete. »Wieder deine Hüfte?«, erkundigte er sich besorgt. »Ja, in letzter Zeit macht sie mir zu schaffen. Hin und wieder versetzt es mir einen Stich, der mir bis in die Wirbelsäule und ins Bein fährt«, antwortet er leise. »Aber das muss Mama nicht wissen. Sie macht sich nur unnötige Sorgen.« »Du musst das untersuchen lassen, Papa.« Mario unterdrückte ein Seufzen, als nur eine wegwerfende Handbewegung als Antwort kam. »Im Winter dann, da habe ich ohnehin kaum Arbeit.« Als sie sich an den Tisch setzten, stellte sein Vater fest: »Vor dem nächsten Frühling müssen wir den Kirschbaum zurückschneiden. Die Zweige schlagen schon ans Haus, wenn der Wind stärker weht. Hilfst du mir?« »Sicher, Papa, und Oliver kommt bestimmt auch mit, wenn ich ihn darum bitte«, sagte Mario schnell, bevor sich seine Mama einmischen konnte. »Super. Und sonst läuft alles?« »Ja, Oliver ist jetzt viel nebenan bei Carolin. Dadurch habe ich die Wohnung für mich allein. Das ist zwar langweilig, aber gut fürs Lernen.« »Ich würde in der Stadt eingehen«. Er gähnte herzhaft und hob schnell die Hand vor den Mund, als ihn ein mahnender Blick seiner Frau traf. »Ich weiß, Papa. Ich wäre auch lieber im Grünen, zumindest am Stadtrand, aber wenigstens habe ich zur Uni nicht weit.« »Genau, deshalb kommt ihr wenigstens bald mal zum Grillen«, ermahnte ihn seine Mutter. »Du, Oliver und die Mädels. Ein Glück, dass ihr so unkomplizierte Nachbarinnen bekommen habt und keinen alten Griesgram.« Sie kostete einen der mit Creme und Heidel- und Himbeeren verzierten Cupcakes und schloss verzückt die Augen. »Mhhh ... Sehr gut! Und backen können sie auch noch! Dachte gar nicht, dass es solche Mädchen noch gibt!« Er nickte zustimmend und hob seine Kaffeetasse an den Mund, um nicht antworten zu müssen. Ja, die Mädels waren in Ordnung. Und Sonja war mehr als das. Sie war einfach ... unbeschreiblich. 4. Kapitel Sonja hievte einen Karton voller Katzenfutterdosen auf den Empfangstresen, der unter dem Gewicht genauso ächzte wie sie selbst. »Sonja, das super! Da werden unser Samtpfoten freuen sich!« Ivana, die junge Kroatin, die seit zwei Jahren als Tierpflegerin im Pfotennest arbeitete, strahlte über das ganze Gesicht. »Schau!«, wandte sie sich an Margret Sollinger, die Leiterin des Tierheims. »Danke Sonja, es ist wunderbar und sehr großzügig, dass du schon wieder so viel mitbringst. Zusätzlich zu deiner Zeit, die du hier arbeitest. Ich wollte, es wären mehr so wie du! Dann hätten wir weniger Sorgen.« »Das mache ich gerne, das weißt du. Es macht mir Freude, euch ein wenig zu unterstützen. Wie geht es dem Roten?« Die Mienen der Leiterin und des jungen Mädchens verfinsterten sich schlagartig, als Margret den Kopf schüttelte. »Er hat die Nacht nicht überlebt.« »Oh, das tut mir leid!« Der Kater war total abgemagert und mit Verletzungen, die vermutlich von einem Hundebiss stammten, gefunden und abgegeben worden. Doktor Matthias Wasner, der Tierarzt bei dem Carolin angestellt war, arbeitete oft mit dem Tierheim zusammen, doch diesmal konnte auch er nichts mehr ausrichten. »Für ihn war es leider zu spät, aber wir haben einen Wurf kleiner Kätzchen hereinbekommen. Für die stehen die Chancen gut. Wir müssen sie zwar ein wenig aufpäppeln und zwei von ihnen haben entzündete Augen, aber die finden bestimmt gute Plätze, wenn sie so weit sind.« Manchmal wunderte sich Sonja, dass die Leiterin sich trotz aller Fehlschläge und Sorgen ihr sonniges, optimistisches Wesen bewahrt hatte. »Ich zeigen dir!«, bot sich Ivana an. »Bringst du die Dosen bitte gleich in die Futterkammer? Und vielen Dank noch mal!« Das Telefon läutete und Margret hob ab, während sich die jungen Frauen in die Katzenabteilung zurückzogen. Die zwei Stunden, die Sonja an diesem Tag im Tierheim verbrachte, vergingen wie im Flug und erst als sie ins Freie trat, um nach Hause zu fahren, wurde ihr bewusst, wie müde sie war. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie auch noch einkaufen musste. Das würde knapp werden. Rasant bog sie in den Parkplatz des Supermarkts ein und sprang eilig aus ihrem geliebten roten Smart. Als sie den Einkaufszettel studierte, den Carolin ihr mitgegeben hatte, fiel ihr auf, wie genial er verfasst war. Nicht nur, dass ihre Freundin eine super klare Handschrift hatte, sie musste in Gedanken den Gängen des Ladens gefolgt sein, in dem sie bevorzugt einkauften. Während sie den Wagen an den Regalen entlang schob, brauchte Sonja nur noch einen Artikel nach dem anderen anhand der Liste einzusammeln. So schaffte sie es locker, noch vor Ladenschluss alles einzukaufen, was sie für das Grillfest am Wochenende brauchten. »Ich bin schon sehr gespannt auf Marios Eltern«, stellte sie fest, als sie mit Carolin zusammen alles in den Kühlschrank packte, was hineingehörte. »Er ist ein Einzelkind, oder?« Ihre Freundin nickte. »Ja. Oliver sagt, sie hängen sehr aneinander. Was machen wir denn heute noch? Du siehst müde aus.« »Bin ich auch. Aber hast du nicht gemeint, den Bohnensalat sollten wir heute noch zubereiten, damit er über Nacht durchziehen kann?« »Ja, das stimmt. Die Käferbohnen habe ich schon gekocht.« Sie hob den Deckel des Topfes und zeigte Sonja die großen, braungefleckten Bohnen, die für die Steiermark so typisch waren. »Also, Zwiebel schälen und fein schneiden?« Carolin nickte. »Ja, genau. Dann Apfelessig, Salz und Kürbiskernöl dazu.« Während die Mädels nebeneinander in der Küche werkten, grinste Sonja auf einmal. »Irgendwie habe ich das Gefühl, ich führe ein Doppelleben. Vergangenen Samstag die Hausparty in der Villa meiner Eltern, morgen das rustikale, zwanglose Grillfest auf dem Land. Hier mit dir zu kochen und zu backen fühlt sich mittlerweile so vertraut und normal an.« »Das ist es ja auch. Ich genieße es sehr, mit dir gemeinsam zu wohnen.« Carolin warf ihrer Freundin einen liebevollen Blick zu. »Auch wenn ich viel und gern mit Oliver zusammen bin, bleibt unsere Freundschaft sehr wichtig für mich.« Sie waren seit mehr als vier Jahren eng befreundet. Kennengelernt hatten sie sich, als Sonja mit einer Katze, die sie verletzt am Straßenrand gefunden hatte, bei dem Tierarzt auftauchte, bei dem Carolin damals gearbeitet hatte. Die Katze war nicht mehr zu retten gewesen und der Arzt nun bereits im Ruhestand, aber ihre Freundschaft war geblieben. »Sollten wir nicht die Kuchen auch heute noch backen?«, überlegte Sonja. »So, wie ich das bei euch kenne, kommst du morgen bestimmt nicht rechtzeitig aus dem Bett.« »Da könntest du recht haben«, gab Carolin ein wenig schuldbewusst zu und seufzte mit einem glücklichen Lächeln. »Es ist einfach so schön, mit Oliver zu kuscheln.« »Kuscheln, so so«, grinste Sonja, unterließ es dann aber, ihre Freundin weiter aufzuziehen. Sie wollte nicht zeigen, wie sehr sie sich selbst neuerdings nach männlicher Nähe und Sex sehnte. Unwillkürlich stieg ein Bild vor ihr auf. Männliche Hände, stark und sensibel, dann das Gesicht dazu: Wuschelige rötliche Haare, ein ebensolcher Vollbart, sorgfältig getrimmt und in Form gebracht, strahlend grüne Augen und ein Mund, der zum Küssen verlockte. Ihr wurde heiß, als ihr plötzlich bewusst wurde, an wen sie da dachte. Wann war Mario mehr als ein lieber Freund und Nachbar für sie geworden? »Erde an Sonja! In welchen Sphären schwebst du denn?« Die belustigte Stimme ihrer Freundin holte sie unsanft aus ihrer Tagtraumsequenz. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten, und legte eilig das Messer aus der Hand, mit dem sie die Zwiebel fein gehackt hatte. Sie wich dem forschenden Blick aus, mit dem Caro sie beobachtete. »Hast du jemanden kennengelernt? Auf der Party vielleicht?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Jonas ist zwar ganz süß, aber viel zu jung für mich.« »Wie viel? Ein bisschen macht ja nichts.« »Ach komm, hör auf. Er ist ein Schulabgänger, neunzehn oder so«, wehrte Sonja lachend ab. »Okay, das ist wirklich zu jung«, lenkte Carolin ein. »Aber so zwei Jahre wie Mario wäre kein Problem, finde ich.« Sonja zuckte innerlich zusammen. Ein Blick aus den Augenwinkeln zeigte ihr, dass ihre Freundin sie aufmerksam betrachtete, und konnte nicht verhindern, dass zarte Röte in ihre Wangen stieg. »Also doch!« Ihre Freundin lächelte verschmitzt. »An meinem Pokerface sollte ich wohl noch arbeiten«, murrte Sonja. »Ich kenne dich einfach zu gut und hatte schon länger den Verdacht, dass er dir gefällt.« »Mehr als das«, gab sie leise zu, »aber das ist mir selbst gerade erst klar geworden. Es scheint ohnehin eher einseitig zu sein. Er sieht ja nur seine Bücher, habe ich das Gefühl.« »Ich glaube eher, er traut sich nicht«, behauptete Caro. »Wenn er denkt, es sieht niemand, hat er einen ebenso sehnsüchtigen Gesichtsausdruck wie du eben.« »Meinst du?« Ihre Freundin nickte nachdrücklich. »Ja, auf jeden Fall. Vielleicht braucht er einfach noch ein bisschen Zeit!« Sonja seufzte. »Möglich ... Du weißt ja, Geduld ist nicht unbedingt meine Stärke.« Ihre Freundin grinste. »Was magst du besonders an ihm?« »Alles? Er ist gepflegt, ohne zu geschniegelt zu wirken. Ich mag, wie er sich bewegt und seine ganze Körperhaltung. Er strahlt ein natürliches Selbstbewusstsein aus, finde ich. Intelligent, strebsam, humorvoll. Einfach cool.« Sie seufzte sehnsüchtig und entlockte Carolin damit ein Kichern. »Und dass Papa auch große Stücke auf ihn hält, rundet das Ganze noch ab. Obwohl ich mir natürlich von ihm nicht meinen Mann aussuchen lassen würde«, setzte sie rasch hinzu. »Noch besser von ihm als von deiner Mutter. Sie würde dich bestimmt an einen gelackten Schnösel verkuppeln.« Sonja nickte zustimmend. »Hat sie tatsächlich schon versucht.« »Aber ich verstehe, was du meinst. Irgendwie spielen die Eltern ja doch eine Rolle, ob man will oder nicht. Olivers zum Beispiel sind total nett und ich freue mich, dass sie mich offenbar mögen. Das macht es auf jeden Fall leichter.« »Ich muss morgen unbedingt einen guten Eindruck machen. Wenn Mario und seine Eltern tatsächlich ein so enges Verhältnis haben, wäre das von Vorteil.« »Das stimmt, aber du klingst, als ob du gerade einen Schlachtplan ausarbeitest.« »Wäre das so verkehrt? Vielleicht muss ich Mario nur ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich bin einfach nicht der Typ Frau, die geduldig in ihrem Turm sitzt und darauf wartet, bis der Traumprinz auf seinem Schimmel an ihr vorbeireitet.« »Nein, du würdest das Pferd mit einem Haufen Karotten anlocken und deinen Auserwählten dann mit dem Lasso zu dir heraufziehen.« Sonja lachte bei der Vorstellung und hob die Hand. »Guter Plan. Gib mir fünf!« Конец ознакомительного фрагмента. Текст предоставлен ООО «ЛитРес». Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию (https://www.litres.ru/isabella-lovegood/traumprinz-nicht-gesucht-und-doch-gefunden/?lfrom=196351992) на ЛитРес. 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